Fachgespräche zum Kommunalen Omnibus
Das Parlamentarische Frühstück
Im Beisein von Europaabgeordneten aus Bayern und Baden-Württemberg sowie der Gastgeberin, Prof. Dr. Angelika Niebler, MdEP, stellten kommunale Vertreter im EU-Parlament den Brüsseler Appell vor. So betonte eingangs Oberbürgermeister Gerhard Jauernig aus Günzburg, dass die Kommunen spürbare Entlastungen bei der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben brauchen. Wachsende Finanzierungslücken in den kommunalen Haushalten, stetig zunehmende Bürokratie, ein rasanter digitaler Wandel, unterfinanzierte und inkohärente Klima- und Umweltgesetze sowie die aktuelle Asyl- und Flüchtlingssituation bringen die Kommunen an den Rande des Kollaps. Deshalb fordern die Kommunen ein vereinfachtes EU-Recht, das sich auf das Wesentliche konzentriert. Ein Beispiel sei das EU-Vergaberecht, für das eine Erhöhung der EU-Schwellenwerte auf WTO-Ebene, weitere Ausnahmen und Erleichterungen für Kleine und Mittlere Auftraggeber (KMA) vom EU-Vergaberecht, die umfassende Freistellung der interkommunalen Zusammenarbeit sowie die weiterhin freiwillige Nutzung von Sozial- und Nachhaltigkeitskriterien gefordert werden. Eine europarechtliche Verpflichtung zur losweisen Vergabe wird abgelehnt.
Steffen Jäger, Präsident und Hauptgeschäftsführer des Gemeindetages Baden-Württemberg, unterstrich die Notwendigkeit für zeitnahe Entlastungen durch die EU im Umweltbereich. In diesem Zusammenhang müssten bspw. die Wiederherstellungsverordnung sowie die Entwaldungsverordnung auf den Prüfstand gestellt werden. Darüber hinaus sprach sich Jäger für eine Anpassung der Abfallverbringungsverordnung aus, die nach gegenwärtigem Wortlaut eine Verwertung brennbarer Siedlungsabfälle außerhalb der EU grundsätzlich untersage. Hierdurch wäre insbesondere die baden-württembergisch-schweizerische Grenzregion betroffen, in der seit Jahrzehnten eine gelebte, ökologisch wie ökonomisch sinnvolle Zusammenarbeit in der Abfallverbringung bestehe.
Landrat Christoph Göbel, Landkreis München, merkte an, dass viele EU-Gesetze, die dem Umweltschutz dienen, miteinander in Konflikt stehen und die kommunale Handlungsfähigkeit einschränkten. Bauland kann z. B. oft nicht ausgewiesen, Investitionsentscheidungen nicht umgesetzt und Brachflächen nicht rekultiviert werden, wenn der bisher geltende Artenschutz in zu vielen Fällen keine Flexibilität oder ortsbezogene Ansätze erlaubt. Darunter leiden oft auch Projekte für erneuerbare Energien. Deshalb sind straffere Verfahren im Arten- und Naturschutzrecht essenziell, um die kommunale Daseinsvorsorge und Infrastruktur zu stärken.
Die anwesenden Abgeordneten unterstützten grundsätzlich die kommunalen Forderungen, verwiesen jedoch gleichzeitig auf die Herausforderungen, bestehendes EU-Recht mit den gegebenen Mehrheiten im Parlament auf pragmatische Art zu vereinfachen. Hinsichtlich der laufenden Debatten über den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen fügte Prof. Dr. Niebler an: „Mit Blick auf die vorgeschlagene Reform des Mehrjährigen Finanzrahmens müssen Kommunen weiterhin die Möglichkeit haben, direkt mit der Europäischen Kommission zusammenzuarbeiten, statt den Umweg über Berlin nehmen zu müssen, um an ihre finanziellen Mittel zu gelangen.“
Die Fachveranstaltung
Unter dem Titel „Kommune – Umwelt – Wirtschaft: Braucht es einen kommunalen Omnibus für Entlastungen vor Ort?“ lud die Bürogemeinschaft in die Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der EU in Brüssel ein. Nach einem Grußwort durch den Leiter der Vertretung, Bodo Lehmann, diskutierten Ralf Broß, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg, Landrat Christoph Göbel, Landkreis München, Jan Ceyssens, stellv. Kabinettschef von EU-Umweltkommissarin Roswall, und Michael Bloss, MdEP, Bündnis 90/Die Grünen, vor rund 70 Gästen über den „kommunalen Omnibus“. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die Umwelt- und Wirtschaftspolitik der EU – und die Frage, wie kommunale Handlungsspielräume angesichts neuer Regulierungen erhalten und gestärkt werden können.
Ralf Broß und Christoph Göbel betonten anhand von konkreten Beispielen, dass Entlastungen im Rahmen der aktuellen Omnibus-Verfahren nicht allein für die Wirtschaft, sondern auch für die Kommunen notwendig sind. So müssen die erreichten Fortschritte in der 2024 verabschiedeten EU-Kommunalabwasserrichtlinie trotz Drucks der Industrie für die Kommunen erhalten bleiben. Im Artenschutz müssen hingegen Flexibilitäten ermöglicht werden. Ralf Broß: „Unser gemeinsames Ziel muss sein, das EU-Recht zu vereinfachen, Bürokratie abzubauen und damit die Handlungsfähigkeit der Städte zu erhöhen.“
In der Diskussion mit Michael Bloss und Jan Ceyssens wurden konkrete Ansatzpunkte zur Schaffung einer kommunalfreundlicheren EU-Gesetzgebung sichtbar. Das zentrale Fazit: Nur durch einen frühzeitigen und offenen Dialog aller Ebenen kann es gelingen, die kommunale Perspektive bereits in den Anfängen neuer EU-Vorhaben mitzudenken.